Bericht von Jakob Umbach

Hallo zusammen!
Ich möchte Euch über meinen dreimonatigen Aufenthalt in Nepal, besonders über die Arbeit sowie die Fortschritte im Straßenkinderprojekt in Sundarijal von SAHAYATA berichten.
Als es am 23. März endlich losging und ich in den Flieger stieg, hatte ich trotz ausführlichen Gesprächen und Schilderungen des Projektes ehrlich gesagt recht wenig Ahnung, was mich die nächsten 12 Wochen erwarten würde. Ich wusste nur, ich werde in einem Kinderheim mit 20 Kindern, die von der Straße kommen, arbeiten und sie in ihrem alltäglichen Leben also Schule, Freizeit, und alles weitere begleiten. Ich hatte mir im Voraus natürlich ein paar Gedanken gemacht über verschiedene Aktionen, die ich mit den Kindern dort machen könnte. Doch inwieweit sich diese Ideen dann umsetzen lassen, würde sich dann dort recht spontan zeigen.
Landung am 24. März um 6.00 Uhr in Kathmandu, Nepal. Ich wurde von RamHari, dem Leiter des Projektes in Sundarijal und Sailash, einem seiner engsten Mitarbeiter netterweise vom Flughafen abgeholt und herzlich empfangen. Wir fuhren sofort nach Sundarijal, und Ramhari zeigte mir sofort wo ich in den kommenden drei Monaten arbeiten und wohnen werde. Mein erster Eindruck war sehr positiv. Die Kinder waren sehr freundlich und die Organisation und Ablauf des Kinderheims hat mir auf Anhieb gut gefallen. Die Kinder hatten in meiner ersten Woche „finally Exam“ und mussten sehr viel lernen. Ich war fasziniert wie viel diese Kinder am Tag für die Schule machten. Vor der Schule wird zwei Stunden gelernt und danach auch nochmal. So war ihr und mein Tag von 7.00 - 20.00Uhr vollgepackt.
Nach dieser Woche hatten sie erstmal drei Wochen verdiente Ferien. Für mich hieß das, ich konnte so ziemlich alles mit ihnen unternehmen und durchführen, was ich mir in Deutschland schon überlegt hatte. Für die Kleineren habe ich ganz viel zum Basteln und Malen mitgenommen und für die Größeren natürlich einen Fußball. Beides wurde ziemlich viel hergenommen. Ich habe ihnen auch sehr viele andere „deutsche“ Spiele beigebracht, die sie mit Begeisterung aufnahmen. Im Gegenzug wurde mir mit ganz viel Stolz alle ihre Spiele vorgestellt. Es ist Wahnsinn mit wie wenig die Kinder es dort schaffen sich zu beschäftigen! Mit den großen Kindern arbeitete ich oft im hauseigenen Gemüsegarten, aus dem alle möglichen Nahrungsmittel bezogen werden. Ein paar Wochen davor zerstörte ein heftiger Sturm viele „Gewächshäuser“ aus Bambus. Deswegen haben wir die übrigen sturmfest abgespannt und angefangen neue „Gewächshäuser“ wieder aufzubauen. Aus den Bambusstücken der zerstörten Gewächshäuser bauten wir für einen Fußballplatz ein Tor, an dem die fußballbegeisterten Kinder natürlich mit großem Ehrgeiz mithalfen. Den Älteren bot ich einen Erste Hilfe Kurs mit Schienen, stabiler Seitenlage usw. an. Hochinteressiert hörten sie alles an und am Schluss durften sie alles selber ausprobieren. Vor allem beim Anblick von Kopfverbänden und Schienen am eigenen Körper lachten sie sehr viel. Das Ganze haben wir nach fünf Wochen wiederholt damit sich ihre neuen Kenntnisse festigen konnten. Das Treppenhaus im Heim sah an den Wänden sehr mitgenommen und zerkratzt aus, weshalb wir zusammen alles komplett neu gestrichen haben. Das war eine total witzige Aktion weil die Kinder während des Streichens gesungen und getanzt haben. In den Ferien zeigten mir die Kinder auch oft bei Spaziergängen die Gegend. An einem nahegelegenen Fluss waren wir viel fischen und Steine sammeln, haben einen Wasserfall besichtigt und waren oft zum Rhododendronblüten sammeln im nahegelegenen Dschungel unterwegs. Das hat ihnen immer besonders gut gefallen.
Von den Kindern wurde ich zu einer Hinduistischen Prozession eingeladen. Ein paar Kinder feierten dort das Ende der Adoleszent (mit 14 Jahren). Als symbolisches Zeichen wurden ihnen die Haare abrasiert und danach gab es ein feierliches Essen. Für mich und auch für die Kinder war das sehr spannend.
In dieser Zeit bin ich super in das ganze Projekt hineingewachsen, habe alles kennengelernt und konnte vor allem eine Bindung zu den Kindern aufbauen, so dass sie mich als Vertrauensperson anerkannt haben. Natürlich war es nicht immer so leicht wie es oben beschrieben ist. Man darf nie vergessen, dass diese Kinder einen Teil ihres Lebens auf den Straßen Nepals, also in ziemlich widrigen Verhältnissen gelebt haben. Man merkt, dass sie so etwas wie Liebe, Geborgenheit und Zuneigung früher nie erfahren durften und sie das jetzt besonders brauchen. Bei manchen von den Jüngeren kommt das Verhalten von der Straße manchmal schon noch etwas durch. Ich konnte dieses vor allem beim Essen, bei Spielzeugen und Stiften beobachten. Für mich war das teils auch sehr schwer richtig einzuschätzen. Besonders wenn die Kinder im Streit aneinander geraten sind und ich rausbekommen musste wegen was und wer Schuld war. Trotz allem ist es Wahnsinn zu sehen was aus ehemaligen Straßenkindern geworden ist. Sie können in einem Haus zusammen leben, essen und spielen und dürfen zur Schule gehen, um später mal eine gute Arbeit zu finden. Der Umgang miteinander ist dabei größtenteils sehr umsichtig geworden. Die Kinder selbst sind für die verbesserten Lebensverhältnisse sehr dankbar und wissen das sehr zu schätzen.
Die Zeit nach ihren langen Sommerferien bedeutete für mich eine Umstellung. Die Kinder waren in ihrem alltäglichen langen Schulalltag zurück. Da in der Schule ein Lehrer aufgehört hatte, musste ich
für ihn einspringen. Ich unterrichtete das Fach „Science“ also Naturwissenschaften in Klasse 3,4, und 6 und das Fach Englisch in der Klasse 1. Das war für mich eine riesen Herausforderung. Vor allem weil die Kinder in der 1. Klasse viel mehr Nepali als Englisch sprachen und es bei mir genau andersherum war. Aber nach ca. eineinhalb Wochen habe ich mich auch darauf recht gut einstellen können und den nötigen Respekt der Schüler erhalten. Dadurch ist es mir gelungen ihnen einen lehrreichen und interessanten Unterricht zu bieten. Nach ein paar Wochen sagte mir der Schulleiter, dass jetzt ein neuer Science Lehrer gefunden wurde dafür jetzt aber ein anderer fehle. Sie haben mich gebeten, in anderen Klassen „Nepalesische Moral“ und „Soziales Gefüge“ zu unterrichten. Ich war allerdings der Meinung, dass ein ausländischer Freiwilliger nicht sehr gut die oben genannten Fächer vermitteln kann. Da meine Mama mir vier Blockflöten und ein Lehrbuch dazu nach Nepal mitgegeben hatte, fragte ich ob ich nicht stattdessen Musik bzw. Flötenunterricht geben könnte. Der Direktor war einverstanden und die Schüler durchweg fasziniert. Für sie war das etwas komplett Neues und vor allem das praktische Erlernen von einfachen Liedern begeisterte sie sehr. Ich habe ihnen erst Notenlesen beigebracht und viel Rhythmusklatschen geübt bevor es wirklich an die Flöte ging. Wiederum nach ein paar Wochen fanden sich auch für die paar Klassen neue Lehrer und der Flötenunterricht wurde nur noch im Kinderheim für „meine“ 20 Kinder gegeben. In der Schule war ich ab jetzt als Unterstützung der Lehrkräfte eingesetzt. Ich half ihnen, für Ruhe zu sorgen und Fragen zu beantworten bzw. Hausaufgaben zu korrigieren. Wenn nötig unterrichtete ich in dieser Zeit bei Krankheitsfällen der Lehrer aber auch selber.
Was mich besonders beeindruckt hat, ist, dass die Kinder nicht nur das Leben im Heim und die Schule durchlaufen und danach nur für sich stehen, sondern dass RamHari für sie ein sehr sinnvolles Konzept entwickelt hat bzw. immer weiter entwickelt. Dabei sollen die Kinder in einem ständigen Geben und Nehmen sich selber in das Projekt miteinbringen. Ein Beispiel: Rabin, der derzeit in Kathmandu aufs College geht und früher auch in Sundarijal im Heim gewohnt hat, gibt die Hausaufgabenbetreuung für die Kinder nach der Schule. Dabei habe ich ihn immer unterstützt. Andere „alte“ Kinder kümmern sich um die Hühner, die neben dem Gemüsegarten untergebracht sind und organisieren wie viel Eier und Hühnerfleisch in der Woche verzehrt werden kann/darf. In Zukunft soll es noch mehr von solchen Aktionen geben, was ich wirklich als sehr gut betrachte. Die Kinder lernen dabei für sich selber und auch für andere Leute zu sorgen und vor allem vorrausschauend planen bzw. denken. Was noch eher eine unangenehme Sache ist, ist die Wasserversorgung für das Kinderheim. Ich war in sehr trockenen Monaten in Nepal und dabei ist es öfters vorgekommen, dass es im Haus kein fließendes Wasser gab. Zum Waschen mussten sie dann immer vor das Haus zum Brunnen gehen. Das Wasser aus dem Brunnen wurde auch zum Kochen und
Putzen verwendet. In dieser Zeit funktionierte auch die Klospülung in den drei Toiletten im Haus nicht und im ganzen Haus roch es nach Kloake! Das könnte durch eine separate Wasserleitung vom Brunnen zum Haus behoben werden. Damit könnte ein Reservetank befüllt werden, der in der trockenen Zeit zum Einsatz kommt und alles viel angenehmer machen könnte. Ich hoffe, dass dieses Projekt bald in Angriff genommen werden kann.
Für mich war es einfach eine wahnsinnig eindrucksvolle und angenehme Zeit dort. Es hat sehr viel Spaß gemacht mit den Kindern zu arbeiten. Mir ist aber auch klar geworden, dass alles, aber auch wirklich alles, was die Kinder besitzen oder an Bildung genießen dürfen durch finanzielle Hilfe aus dem Ausland getragen wird. Ich hoffe diese Unterstützung wird nicht wegfallen, um den Kindern, die einst auf der Straße leben mussten, ein aussichtsreiches Leben zu ermöglichen damit sie sich später selber versorgen können.
Ich bin dankbar, dass ich das alles erleben durfte. Namaste Jakob